Neuapostolische Kirche
Fotografie im Gottesdienst
◼ Die Bildgestaltung ↑
„Komposition ist ein Mittel, nicht ein Ende, und die vollkommenste Komposition rechtfertigt nicht ein belangloses Bild. Komposition ist ein Werkzeug, um den Eindruck des Bildes zu steigern. Vorausgesetzt, dass Bildinhalt und fototechnische Behandlung gleichwertig sind, macht ein gut komponiertes Foto einen stärkeren Eindruck als eines mit schwacher Komposition. Das ist das ganze Geheimnis“, schrieb der Fotograf Andreas Feininger (1906–1999).
Ein betrachtenswertes Bild ist nicht (nur) hell und scharf, sondern hinsichtlich des Motivs und der Bildinformationen aussagekräftig gestaltet und aufgebaut. Je nach Motiv und Situation stehen unterschiedliche gestalterische Elemente zur Verfügung. Wie eine solche Bild komposition in der Praxis umgesetzt werden kann, wird anhand einiger Beispiele im folgenden Kapitel erläutert.
◼ Pars pro toto ↑
Pars pro toto bedeutet, dass ein Teil für das Ganze steht. In der Fotografie stelle ich also einen prägnanten Ausschnitt dar ... etwas, das den ungestörten Blick auf das Wesentliche bietet. Mein Motiv wird direkt erkennbar und verliert sich nicht in dem großen Ganzen.
Störende und ablenkende Dinge, die mit meinem Motiv und der damit verbundenen Bildaussage nichts zu tun haben, lasse ich weg. Vergleichbar ist das mit einem Bildhauer, der aus einem Stein eine Büste erstellen will: Er schlägt an dem Stein alles weg, was nicht mit der Büste zu tun hat, sodass nur die Büste übrigbleibt. Das hört sich einfach an, ist aber zugegebenermaßen nicht immer ganz leicht in der Umsetzung.
Die Kunst des Fotografierens ist es, ein typisches Detail zu finden und herauszustellen. Das Bild beschränkt sich dann auf das Wesentliche und wirkt besonders betrachtenswert; vielleicht auch aufgrund der ungewöhnlichen Nähe und Perspektive.
Weniger ist oft mehr! Nicht jedes Bild muss den Kirchensaal mit allen 220 Gottesdienstteilnehmern in vollem Umfang zeigen. Es ist interessant, auch einmal nur wenige Personen zu sehen oder eine einzelne Person zu zeigen. Und diese dann auch nicht in voller Lebensgröße, sondern ausschnittsweise. Manches Detail steigert die Attraktivität des Bildes.
Zusammengefasst: Ein Bild ist so lange schlecht, wie man noch etwas abschneiden kann!
Wie so oft im Leben: Übung macht den Meister. Wenn auch die ganze Bandbreite von Bildgestaltungsmitteln auf den ersten Blick überfordert, ... so wird doch in einzelnen Umsetzungsschritten – also step by step – manche Entwicklung erkennbar.
◼ Tiefenschärfe ↑
„Wer sehen kann, kann auch fotografieren. Sehen lernen kann allerdings lange dauern“, erklärte ein Werbespruch des deutschen Kameraherstellers Leica.
Die Tiefenschärfe beschreibt den Bereich des Bildes, der (vom Vordergrund bis zum Hintergrund) scharf angezeigt wird. Bestimmt wird die Tiefenschärfe durch eine Kombination der Blendenöffnung und der Brennweite des Objektivs.
Für den einen oder anderen Fotografen ist die Tiefenschärfe das wichtigste Stilelement in der Fotografie; nicht ganz zu Unrecht. Durch die Blendenvorwahl – Programm AV (bei Canon-Kameras) oder Programm A (bei Nikon, Sony, Pansonic) – lassen sich Bilder in besonderer Weise gestalten.
Ein gestochen scharfes Motiv – eingebettet in einen unscharfen Vorder- und Hintergrund – hat eine besondere Wirkung und lenkt den Blick des Bildbetrachters zur eigentlichen Bildaussage.
Geringe Tiefenschärfe – offene Blende – kleine Blendenzahl: Je offener die Blende ist (= also umso kleiner die Blendenzahl ist; beispielsweise f1.2, f2.0 oder f2.8), desto unschärfer wird alles, außer dem Motiv. Das Motiv wird durch diesen Effekt besonders herausgehoben. Positiver Nebeneffekt: Störende Elemente im Vorder-/Hintergrund lassen sich damit leicht beseitigen.
Viel Tiefenschärfe – geschlossene Blende – große Blendenzahl: Umso geschlossener die Blende wird (= also umso größer die Blendenzahl ist, beispielsweise f16, f20, f26), desto schärfer wird das Bild in der gesamten Tiefe. Das Bild ist vom Vordergrund bis in den Hintergrund hinein scharf. Wenige beziehungsweise keine Bildteile sind unscharf. Das Bild bietet maximale Information. Für eine Aufnahme mit großer Blendenzahl wird viel Licht benötigt (= Umgebungslicht, Blitzlicht, erhöhter ISO-Wert ...).
◼ Licht und Schatten ↑
„See the light, understand the light, make the light.“, sagte Joe McNally (geboren 1952), ein US-amerikanischer Fotograf, der unter anderem für National Geografic arbeitet.
Wirkung und Qualität eines Bildes hängen zu einem großen Teil vom Lichteinfall und von der Lichtfarbe ab. Die Gesamthelligkeit eines Bildes hat Einfluss auf seine Wirkung. Überwiegend helle Bilder wirken optimistischer und freundlicher als dunkle. Helle Bilder lassen Details besser erkennen.
Wie wirkt das Licht auf das Bildmotiv?
Licht von oben
Es entstehen flache und zweidimensionale Bilder ohne räumliche Wirkung. Die Schatten sind kurz und dunkel. Bei Menschen verdunkeln sich Augenhöhlen und das Kinn wirft Schatten. Licht von oben lässt abgelichtete Menschen teilweise unnatürlich und unvorteilhaft wirken.
Licht frontal
Das Fotografieren ist sehr einfach. Hinter dem Motiv entstehen Schatten. Fotografierte Menschen können je nach Lichtstärke blinzeln. Vorsicht mit eigenem Schatten.
Licht seitlich
Schatten sorgen für Tiefe und dreidimensionale Wirkung. Es entstehen ausdrucksvolle Kon trastbereiche; Konturen und Strukturen werden hervorgehoben.
Gegenlicht
Ist die Lichtquelle hinter dem Motiv, sorgt das für starke Kontraste. Auf der Vorderseite entstehen dunkle Schattenbereiche, die man mit einem Blitzlicht gegebenenfalls aufhellen kann/muss. Andernfalls bleibt der Vordergrund detailarm und kontrastlos.
Schatten
Direkte Sonnenstrahlen können sehr hell sein. Es entstehen scharfe und dunkle Schatten. Die Farben des Motivs leuchten dafür intensiv. Um direkte Sonnenstrahlen zu vermeiden, sollte man das Motiv im Schatten platzieren oder den Kamerastandpunkt ändern.
◼ Bilder verdichten ↑
„Oft bringt erst Distanz zwei Menschen einander näher“, sagte die deutsche Lyrikerin Annette Andersen (geboren 1953) und hat dabei vermutlich nicht an die Distanz gedacht, die durch eine versehentlich falsch gewählte Perspektive des Fotografen geschaffen wird.
Stehen sich zwei Menschen als Bekannte gegenüber, so halten sie entsprechend der ‚vier Zonen‘ (Edward Hall, 1914–2009) einen Abstand von etwa 60 bis 100 Zentimetern. Enge Freunde, Familie oder Partner dürfen auch auf unter 60 Zentimeter an uns heranrücken. Der Abstand zueinander symbolisiert deutlich, wie die Menschen zueinanderstehen.
Nähe, Zugehörigkeit und Wertschätzung zwischen Menschen lassen sich auf Bildern durch die ganz individuelle Wahl der Perspektive unterstreichen oder auch (unbewusst/bewusst) im Gegenzug verneinen.
Mein Standpunkt als Fotograf entscheidet darüber, ob Menschen als Bekannte dargestellt werden oder ob sie aufgrund der räumlichen Nähe das Prädikat ‚enger Freund‘ (und im erweiterten Sinne ‚Seelsorger/Bruder/Schwester‘) verdienen. Der fotografisch dokumentierte Abstand ist (mindestens im Unterbewusstsein, wenn nicht sogar ganz offensichtlich) die von allen Bild betrachtern aufgenommene Bildaussage.
Unabhängig von der tatsächlichen Distanz lässt sich auf Bildern der Abstand zwischen Menschen als besonders weit oder aber besonders nah darstellen. Die Kenntnis um diesen Effekt ist wichtig. Als Fotograf wähle ich die Perspektive mit Bedacht.
Nichts überrascht den Bildbetrachter mehr, als viel Raum zwischen zwei sich eigentlich nahe stehenden Menschen im Gespräch. Wenn ich fotografisch keine Distanz dokumentieren will, vermeide ich Niemandsland, erzeuge tatsächlich vorhandene Nähe durch die richtige Perspektive und bringe die Motive auf dem Bild zusammen.
◼ Perspektivwechsel ↑
„If your picture isn,t good enough, you,re not close enough [Sind deine Bilder nicht gut genug, warst du nicht nahe genug dran]“, sagte Robert Capa (1913–1954), einer der berühmtesten Kriegsfotografen und prägt damit bis heute die Arbeit vieler engagierter Fotojournalisten.
Nah ran! Noch näher! Das ist in vielen Situationen für den Fotografen eine Erfolgsformel.
Der Kamerastandpunkt und die damit gewählte Perspektive ist ausschlaggebend für Bild aussage, Motiv, Größenverhältnisse, Lichtverhältnisse und damit auch für die gesamte Bildqualität. Keine Bildbearbeitung kann das korrigieren, was ich kurz vor dem Auslösen durch eine falsche Perspektive verliere.
Es lohnt sich, ein paar Augenblicke mehr über die richtige Perspektive nachzudenken. Es lohnt sich, ein Motiv auch aus einer zweiten oder dritten Perspektive heraus zu fotografieren. Es lohnt sich, die Perspektive immer wieder auch von bereits fertigen Bildern zu prüfen und für künftig ähnliche Bilder zu optimieren.
Nach dem Auslösen ist vor dem Auslösen. Und zwischen dem Auslösen ist Bewegung. Entweder bewegt sich mein Motiv, sodass mein zweites, drittes Bild von sich aus eine andere Bildaussage erhält oder aber ich bewege mich als Fotograf und erweitere damit perspektivische Vielfalt.
Die Perspektive wird klassisch in drei Formen unterschieden:
- Untersicht (extreme Form: Froschperspektive): fotografierte Menschen werden durch die gewählte Perspektive scheinbar auf ein Podest gehoben, geadelt oder erhöht (dieser Effekt tritt insbesondere bei Verwendung des Hochformats auf)
- Normalsicht (fotografierte Menschen befinden sich auf Augenhöhe)
- Aufsicht/Obersicht (extreme Form: Vogelperspektive): fotografierte Menschen wirken verniedlicht, klein, unbeholfen
◼ Emotionen und Gefühle ↑
„Die Tatsache, dass eine (im konventionellen Sinn) technisch fehlerhafte Fotografie gefühlsmäßig wirksamer sein kann als ein technisch fehlerloses Bild, wird auf jene schockierend wirken, die naiv genug sind zu glauben, dass technische Perfektion den wahren Wert eines Fotos ausmacht“, sagte der Fotograf Andreas Feininger (1906–1999).
Ein Bild muss den Betrachter fesseln. Ein Bild muss in Erinnerung bleiben.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Bild als sehenswert und außergewöhnlich eingestuft wird, steigt, wenn das Bild Emotionen transportiert und einen einzigartigen Augenblick in seiner Originalität einfängt.
Nicht jedes Bild einer Reportage-Fotografie kann diesen Anspruch erfüllen – oder doch?! Aber: Umso mehr Emotionen erkennbar sind, desto länger und intensiver wird ein Bild betrachtet.
Wie schafft ein Bild eine solche Originalität zu transportieren? Es muss prägnant, ungewöhnlich, komisch, traurig, witzig, authentisch, begeisternd, originell, informativ, ergreifend oder auf jeden Fall einzigartig sein.
◼ Goldener Schnitt/Drittel-Regel ↑
Die Positionierung des Motivs in der Bildmitte wirkt häufig langweilig oder statisch.
Eine sehenswerte Alternative bei der Bildgestaltung – gegenüber der mittigen Formation – ist die Anordnung des Motivs nach dem Goldenen Schnitt beziehungsweise nach der Drittel-Regel. In beiden Fällen wird das (Haupt-)Motiv auf einen der vier Schnittpunkte der Linien gelegt.
Achtung! Nicht jedes Bild muss nach dieser Regel aufgebaut sein. Viele Motive (Person, Tier, Pflanze, Horizont, ...) wirken aber durch diese Positionierung häufig interessanter, intensiver und harmonischer.
Wichtig: Bei Personen wird immer der Schnittpunkt ausgewählt, der in Blickrichtung Raum gibt. Also Gesichter nicht so anordnen, dass die Person unmittelbar aus dem Bild herausschaut und hinter sich viel Luft hat.
◼ W-Fragen ↑
„Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“, erklärt eine alte Weisheit.
Journalisten lernen, dass ihre Meldungen immer die wesentlichen Informationen beinhalten sollen. Dazu beantworten Journalisten während ihrer Recherche beziehungsweise in ihrem Text die sechs W-Fragen.
Fotografen können beim Reportage-Fotografieren ebenfalls diese W-Fragen beantworten und dafür sorgen, dass in ihren Galerien/Bildern maximaler Informationsumfang vorhanden ist. Vielleicht gelingt es einem Fotografen sogar einmal, so viele Informationen in seinen Bildern unterzubringen, dass kein Redakteur mehr schreibend tätig werden muss. Am Beispiel eines Gottesdienstes könnte die Beantwortung der W-Fragen wie folgt aussehen:
Wer?
Wer hat den Gottesdienst gehalten? Bild von Dienstleiter und mitdienenden AmtsträgernWer hat an dem Gottesdienst teilgenommen? Bild von Gottesdienstteilnehmern
Wie?
Wie geschah es? (Detail-)Bild von Handlung; Bilder, die Stimmung/Atmosphäre zeigen
Was?
Was ist passiert? Bild von Gottesdienstbestandteilen (Ankunft, Musik, Predigt, Handlungen, Gespräche, Verabschiedung ...)
Wann?
Wann fand der Gottesdienst statt? Bild von Kirche/Veranstaltungsort außen (= Tageszeit), Bild einer Uhr
Wo?
Wo fand der Gottesdienst statt? Bild von Kirche/Veranstaltungsort, Bild von Ortsschild
Warum?
Warum geschah es (so)? Bild von Plakat (Ankündigung) mit Hinweis auf gemeinsamen Gottesdienst verschiedener Gemeinden et cetera
◼ Bildformat ↑
Das Sichtfeld eines gesunden Menschen entspricht dem Querformat. Möglicherweise aus genau diesem Grund machen Kameras fast aller Hersteller – wenn man sie gerade vor sich hält – Bilder im Querformat. Das Querformat kennen wir auch vom Format eines klassischen Fernsehgerätes oder eines Monitors.
Eine Übersicht über die häufigsten Bildformate und ihre Wirkung:
Querformat
- entspricht den natürlichen Sehgewohnheiten
- vermittelt Ruhe und Statik
- wird am häufigsten verwendet
Hochformat
- ungewohnter, dynamischer, dramatischer
- unterstützt vertikale Linien
- dokumentiert Größe, Stärke und Macht durch Höhe
- widerspricht der natürlichen Wahrnehmung
- betont das Reduzierte eines Bildes
Panorama
- extreme Seitenverhältnisse
- dramatisiert Aussagen des Quer- und Hochformates
Kreise, Ellipsen und Mehrecke
- sind ungewöhnlich und können im Einzelfall verwendet werden
- Format nutzt sich bei Wiederholung schnell ab
Für die Veröffentlichung von Bildern im Internet eignet sich in erster Linie das Querformat. Insbesondere Panorama- und sonstige Sonderformate sind in Online-Galerien schlecht zu betrachten.